Liebe Leserinnen und Leser,
mit diesen Worten hat der Superintendent unseres Kirchenkreises, Dr. Nottmeier, seinen Vortrag
überschrieben, den er am 23. September in der Zeuthener Kirchengemeinde halten wird.
Uns interessiert, wie wir in unserer Gesellschaft dazu beitragen können, dass die Spaltungen unter
uns überwunden werden und Menschen, die sich auf Grund der Corona-Situation bis in die
Familien hinein zerstritten haben, sich versöhnen und wieder zueinander finden können.
Denn das ist etwas, was mich in meinem Pfarralltag immer wieder beschäftigt, dass Menschen
darunter leiden, dass sie verletzt, verachtet oder ausgegrenzt werden, weil sie eine andere Meinung
haben, dass Freundschaften in die Brüche gehen und Risse durch Familien, weil die einen
mehr und die anderen weniger kritisch durch diese Zeit gehen.
Aber auch umgekehrt, Menschen suchen nach Versöhnung und Vergebung, stoßen aber auf Ablehnung
und Hass. Da gibt es jede Menge Zuschreibungen: die „Pandemietreiber“ und „Gefährder“
auf der einen Seite und die „Mitläufer“ und „Schläfer“ auf der anderen Seite. Am Impfen
polarisieren sich Gruppen, die sich gegenseitig verurteilen ohne einander noch zuzuhören. Dabei
werden beide Gruppen von Ängsten getrieben. Die einen von der Angst vor den Impffolgen oder
dem Verlust demokratischer Grundrechte oder misstrauisch angesichts mancher Widersprüchlichkeit
von Einschränkungen. Die anderen werden getrieben von der Angst, angesteckt zu werden
oder das Gesundheitssystem zu sehr zu belasten oder andere zu gefährden.
Unser Miteinander hat sich stark verändert: Zurückhaltung bei Begegnungen. Umarmen – ja oder
nein? Maske auf oder ab? Was darf man? Was nicht? Was ist angemessen? Und wie reagiert mein
Gegenüber?
Menschen kommen zu mir und sagen mir: Ich traue mich gar nicht, zu sagen, wie es um mich
steht. Ich werde dann doch gleich in eine Ecke gestellt, in die ich gar nicht gehöre.
Andere erzählen, dass sie sich nicht trauten, die Familie in ihren Garten einzuladen, weil der
Nachbar die Autos zählt und Anzeige bei der Polizei erstattet, wenn er vermutet, dass mehr
Menschen zusammen kommen als erlaubt ist.
Das erinnert mich an eine Zeit, die längst vergangen ist, wo wir Denunziantentum und das Fehlen
von Meinungsfreiheit beklagt haben und wo wir sehr genau überlegt haben, wem wir was von
uns erzählen. Jeder und jede hat seine, hat ihre eigene Wahrheit.
Und viele machen sich nicht mehr die Mühe, die anderen in ihrer jeweiligen Angst wahrzunehmen
und zu akzeptieren.
Für mich ist in diesen Monaten ein Bibelwort sehr wichtig geworden, in dem es heißt: „Gott hat
uns nicht den Geist der Furcht gegeben, sondern den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit.“
Und ich wünsche uns gerade auch in dieser Zeit, die Besonnenheit, in dem anderen den Mitmenschen
und Nächsten zu sehen, der genauso wie ich angenommen und verstanden werden
möchte mit seinen Ängsten und Träumen, Erfahrungen und Wünschen.
Nehmen wir uns doch die Zeit und erzählen wir einander unsere Geschichten.
Und in all den vielen Wahrheiten mit denen jede und jeder so oft recht behalten will, vertrauen
wir in unserer Kirche der einen Wahrheit, die sich in Jesus Christus offenbart hat und die uns
Gott als Liebe zeigt. Und so leiht mir das Gebet des Franz von Assisi Worte, wenn er spricht:
„Gott, mache mich zu einem Werkzeug deines Friedens, das ich Liebe übe, wo man sich hasst,
dass ich verzeihe, wo man sich beleidigt, dass ich verbinde, da, wo Streit ist.“
In diesem Sinne eine gesegnete Zeit wünscht Ihnen Ihre Pfarrerin Cornelia Mix.
(dieser Text wurde auch in der MAZ veröffentlicht)